Veröffentlicht am März 15, 2024

Entgegen der Annahme, dass unsere Gene unser Schicksal besiegeln, ist der Lebensstil der entscheidende Faktor zur Prävention chronischer Krankheiten.

  • Stille Entzündungen und Insulinresistenz sind die wahren Treiber hinter Krankheiten wie Diabetes und Herzleiden.
  • Die vier Säulen (Ernährung, Bewegung, Schlaf, Stress) wirken nicht isoliert, sondern als synergetisches System, das diese Treiber direkt beeinflusst.

Empfehlung: Betrachten Sie Ihre Gesundheit nicht als eine Liste von Aufgaben, sondern als ein integriertes System, das Sie aktiv steuern können.

In meiner Praxis begegne ich täglich Menschen um die 50, die beunruhigt sind. Sie haben gerade miterlebt, wie ein Elternteil, ein Freund oder ein Kollege eine schwere Diagnose erhalten hat: Diabetes Typ 2, ein Herzinfarkt, eine Krebserkrankung. Ihre unausgesprochene Frage hängt schwer in der Luft: „Bin ich der Nächste?“ Viele glauben, ihre genetische Veranlagung sei ein unabwendbares Urteil, eine tickende Zeitbombe in ihren Zellen. Sie fühlen sich ihrem Schicksal ausgeliefert und sehen den kommenden Jahren mit einer Mischung aus Angst und Resignation entgegen.

Die gängigen Ratschläge sind bekannt: mehr bewegen, gesünder essen, besser schlafen, Stress reduzieren. Doch diese gut gemeinten Tipps werden oft als isolierte, mühsame Pflichten wahrgenommen – eine weitere Liste von Dingen, die man in einem bereits vollen Alltag unterbringen muss. Was wäre aber, wenn der Schlüssel nicht darin liegt, vier separate Aufgaben abzuhaken, sondern zu verstehen, dass diese vier Säulen ein einziges, kraftvolles System bilden? Ein synergetisches „Gesundheits-Betriebssystem“, das in der Lage ist, direkt mit unserer Biologie zu kommunizieren und sogar „schlechte“ Gene stummzuschalten.

Dieser Artikel bricht mit der Vorstellung vom genetischen Determinismus. Ich werde Ihnen aus präventivmedizinischer Sicht zeigen, dass Ihr Lebensstil nicht nur eine Ergänzung, sondern der mächtigste Hebel ist, den Sie besitzen. Wir werden die unsichtbaren Prozesse wie stille Entzündungen und Insulinresistenz entmystifizieren, die als Brandbeschleuniger für fast alle chronischen Krankheiten wirken. Sie werden verstehen, wie die vier Lebensstilfaktoren als ein integriertes Ganzes zusammenarbeiten, um genau diese Prozesse zu stoppen. Es geht nicht um Perfektion, sondern darum, die Kontrolle zurückzugewinnen und Ihr biologisches Alter aktiv zu gestalten. Ihre Gesundheit ist kein Schicksal – sie ist eine Entscheidung, die Sie jeden Tag treffen.

Um Ihnen eine klare und strukturierte Übersicht zu geben, wie Sie die Kontrolle über Ihre Gesundheit zurückgewinnen können, folgt ein detaillierter Leitfaden. Jeder Abschnitt beleuchtet eine entscheidende Facette des integrierten Präventionsansatzes.

Die unsichtbare Gefahr: Wie stille Entzündungen im Körper Diabetes und Herzerkrankungen auslösen

Die größte Bedrohung für unsere langfristige Gesundheit ist eine, die wir weder sehen noch unmittelbar fühlen können: die stille Entzündung (silent inflammation). Anders als eine akute Entzündung nach einer Verletzung, die mit Rötung und Schmerz einhergeht, schwelt dieser Prozess unbemerkt im Körper. Er ist ein leiser Brandbeschleuniger, der die Entstehung von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes Typ 2, Arteriosklerose, Demenz und sogar einigen Krebsarten massiv fördert. Aus präventivmedizinischer Sicht ist die Kontrolle dieser Entzündungen der erste und wichtigste Schritt zur Risikoreduktion.

Diese chronischen Entzündungsprozesse sind keine Seltenheit. Eine aktuelle Analyse zeigt, dass rund 40% der Erwachsenen bereits erhöhte Marker für stille Entzündungen aufweisen, oft ohne es zu wissen. Die Ursachen sind tief in unserem modernen Lebensstil verwurzelt: eine Ernährung reich an Zucker und verarbeiteten Fetten, Bewegungsmangel, chronischer Stress und Schlafmangel. Jeder dieser Faktoren gießt Öl ins Feuer und hält die Entzündungsreaktion am Laufen. Das Immunsystem befindet sich in ständiger Alarmbereitschaft, was langfristig die Gefäßwände schädigt, die Insulinresistenz fördert und die Zellalterung beschleunigt.

Die gute Nachricht ist, dass wir diesen Prozess direkt beeinflussen können. Die Bekämpfung stiller Entzündungen erfolgt über ein ganzheitliches Vorgehen:

  • Entzündungshemmende Ernährung: Eine Kost, die reich an Omega-3-Fettsäuren (z.B. aus fettem Fisch), Polyphenolen (aus Beeren, dunklem Gemüse) und Ballaststoffen ist, wirkt wie ein natürliches Löschmittel.
  • Gesundes Mikrobiom: Eine vielfältige Darmflora, gefördert durch probiotische und präbiotische Lebensmittel, ist entscheidend, da ein „löchriger Darm“ (Leaky Gut) eine Hauptquelle für Entzündungsstoffe darstellt.
  • Ausreichend Schlaf: Während des Schlafs führt der Körper Reparaturprozesse durch und reguliert Entzündungsmarker. 7-9 Stunden sind hier nicht Luxus, sondern medizinische Notwendigkeit.

Ernährung, Sport oder Schlaf? Welcher Faktor den größten Hebel zur Prävention von Krankheiten bietet

Viele Patienten fragen mich: „Herr Doktor, wenn ich nur eine Sache ändern könnte, was hätte den größten Effekt?“ Diese Frage ist verständlich, aber sie basiert auf einem Missverständnis. Die vier Säulen – Ernährung, Bewegung, Schlaf und Stressmanagement – sind keine separaten Optionen, aus denen man sich die einfachste aussuchen kann. Man muss sie sich vielmehr als ineinandergreifende Zahnräder vorstellen: Wenn ein Rad hakt, verlangsamt sich das gesamte System. Verbessert man jedoch eines, gibt es den anderen einen positiven Impuls. Dies ist der Synergie-Effekt des Lebensstils.

Stellen Sie sich vor, Sie verbessern Ihre Ernährung. Sie essen mehr Ballaststoffe und gesunde Fette. Das stabilisiert nicht nur Ihren Blutzucker, sondern verbessert auch Ihre Schlafqualität. Besserer Schlaf wiederum gibt Ihnen mehr Energie für Bewegung am nächsten Tag. Regelmäßige Bewegung senkt nachweislich Stresshormone wie Cortisol, was Heißhungerattacken auf ungesunde Lebensmittel reduziert. Jede positive Veränderung löst eine Kettenreaktion aus, die das gesamte Gesundheits-Betriebssystem optimiert. Es geht nicht darum, den „einen“ Hebel zu finden, sondern das Schwungrad in Bewegung zu setzen.

Visualisierung des positiven Kreislaufs der vier Lebensstilfaktoren als ineinandergreifendes System

Wie diese Visualisierung andeutet, ist die Stärke der Prävention die gegenseitige Verstärkung der einzelnen Faktoren. Man kann nicht schlecht schlafen und hoffen, die negativen Effekte allein durch Sport auszugleichen. Man kann sich auch nicht perfekt ernähren, aber unter Dauerstress stehen, und erwarten, gesund zu bleiben. Das Ziel ist nicht, in jedem Bereich 100% perfekt zu sein. Das Ziel ist, in allen vier Bereichen eine solide Basis von 70-80% zu schaffen. Diese Ausgewogenheit ist weitaus mächtiger als Perfektion in nur einer Disziplin.

„Ich habe keine Zeit“: Wie Sie die häufigsten Ausreden überwinden, die Ihre Gesundheit gefährden

Der häufigste Satz, den ich höre, wenn es um die Umsetzung von Lebensstiländerungen geht, ist: „Ich habe einfach keine Zeit.“ Ich verstehe diesen Einwand. Zwischen Beruf, Familie und sozialen Verpflichtungen fühlt sich die Sorge um die eigene Gesundheit oft wie ein weiterer Termin an, der keinen Platz im Kalender findet. Doch aus medizinischer Sicht ist dieser Satz die gefährlichste Ausrede von allen. Es ist keine Frage der Zeit, sondern eine Frage der Priorität. Wir nehmen uns Zeit für das, was uns wichtig ist. Und es gibt nichts Wichtigeres als die Funktionsfähigkeit unseres eigenen Körpers.

Um die Dringlichkeit zu verdeutlichen, hilft ein Blick auf die Fakten. Laut internationalen Studien sterben jährlich 1,6 Millionen Menschen indirekt an den Folgen von Bewegungsmangel. Das sind keine abstrakten Zahlen. Das sind Väter, Mütter und Freunde, deren Leben durch vermeidbare Krankheiten verkürzt wurde. Wenn wir keine Zeit für 30 Minuten Bewegung am Tag finden, müssen wir uns darauf einstellen, uns später sehr viel Zeit für Arztbesuche, Therapien und Krankenhausaufenthalte nehmen zu müssen. Prävention ist keine Zeitverschwendung, sie ist die effizienteste Investition in Ihre zukünftige Zeit.

Die Überwindung dieser Hürde beginnt mit einer radikalen Umdeutung. Betrachten Sie Bewegung nicht als „Sport“, sondern als „Gelegenheit“. Nutzen Sie jede Chance: das Treppenhaus statt des Aufzugs, ein kurzer Spaziergang in der Mittagspause, Kniebeugen während des Zähneputzens. Es geht darum, Aktivität in den Alltag zu integrieren, nicht darum, sich für einen Marathon anzumelden. Ändern Sie Ihre Denkweise von „Ich *muss* Sport machen“ zu „Ich *kann* meinen Körper nutzen“. Schon 10-15 Minuten gezielte Aktivität pro Tag haben einen messbaren positiven Effekt auf Ihren Stoffwechsel und Ihre Stimmung.

Ihr persönliches Gesundheits-Cockpit: Diese Blutwerte sollten Sie ab 40 jährlich prüfen lassen

Prävention bedeutet, nicht zu warten, bis eine Warnleuchte im Auto aufblinkt. Es bedeutet, regelmäßig den Ölstand und den Reifendruck zu prüfen. Übertragen auf unsere Gesundheit heißt das: Wir müssen unsere wichtigsten Körperfunktionen proaktiv messen, bevor Symptome auftreten. Ab dem 40. Lebensjahr reicht der Standard-Gesundheitscheck oft nicht mehr aus, um die subtilen Verschiebungen im Stoffwechsel frühzeitig zu erkennen. Sie benötigen ein erweitertes „Gesundheits-Cockpit“, um Ihr persönliches Risiko für chronische Krankheiten präzise zu steuern.

Dieses Cockpit besteht aus spezifischen Blutwerten, die weit über die üblichen Cholesterinwerte hinausgehen. Sie geben Aufschluss über die beiden zentralen Prozesse, die wir bereits besprochen haben: stille Entzündungen und Insulinsensitivität. Diese Werte sind Ihre persönlichen Frühwarnindikatoren. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt gezielt über die Messung dieser Marker. Sie ermöglichen es Ihnen, die Auswirkungen Ihres Lebensstils objektiv zu bewerten und bei Bedarf frühzeitig gegenzusteuern.

Die folgende Tabelle, basierend auf Empfehlungen aus der Präventivmedizin wie sie in einer Analyse der NZZ zu chronischen Entzündungen diskutiert werden, gibt Ihnen eine Übersicht über die wichtigsten präventiven Marker.

Erweiterte Blutwerte für präventive Gesundheitskontrolle
Marker Was er misst Zielbereich Bedeutung
hs-CRP Stille Entzündungen < 1 mg/L Prädiktor für Herz-Kreislauf-Risiko
HbA1c Langzeit-Blutzucker < 5,7% Diabetes-Früherkennung
Homocystein Gefäßrisiko < 10 μmol/L Arteriosklerose-Marker
Triglycerid/HDL-Ratio Insulinresistenz < 2,0 Metabolisches Syndrom
Vitamin D Immunfunktion 30-50 ng/ml Prävention chronischer Krankheiten

Gesundheit als Familienprojekt: Wie Sie präventive Gewohnheiten spielerisch an Ihre Kinder weitergeben

Gesunde Gewohnheiten in einem Umfeld zu etablieren, das diese nicht unterstützt, ist ein ständiger Kampf. Der wirksamste Weg, nachhaltige Veränderungen zu schaffen, ist daher, die eigene Familie mit ins Boot zu holen. Wenn Gesundheit zu einem gemeinsamen Projekt wird, entsteht eine positive Dynamik, die nicht nur Ihre eigene Motivation stärkt, sondern auch die Weichen für die zukünftige Gesundheit Ihrer Kinder stellt. Sie sind das wichtigste Vorbild. Ihre Kinder übernehmen nicht, was Sie sagen, sondern was Sie tun.

Der Schlüssel liegt darin, Prävention nicht als eine Liste von Verboten zu präsentieren, sondern als ein spannendes, spielerisches Abenteuer. Es geht um positive Verstärkung und das Schaffen einer Umgebung, in der die gesunde Wahl die einfachste Wahl ist. Statt Süßigkeiten zu verbieten, platzieren Sie eine bunte Obstschale prominent auf dem Tisch. Statt Bildschirmzeit zu verteufeln, initiieren Sie eine Familien-Challenge für einen gemeinsamen Spaziergang nach dem Abendessen. Diese subtilen Veränderungen im Umfeld und in den gemeinsamen Ritualen haben eine enorme Wirkung auf das Verhalten aller Familienmitglieder.

Machen Sie Ihre Kinder zu Partnern auf dieser Gesundheitsmission. Beziehen Sie sie in die Zubereitung von Mahlzeiten ein – wer selbst schnippelt, probiert auch eher. Erklären Sie die Wirkung von Lebensmitteln in einer Sprache, die sie verstehen: Karotten verleihen „Superhelden-Sehkraft“ und Spinat sorgt für „Popeye-Muskeln“. So wird aus gesunder Ernährung ein Spiel statt einer Pflicht. Der wichtigste Aspekt ist jedoch die gemeinsame Zeit und die positiven Emotionen, die mit diesen Aktivitäten verknüpft werden. Ein gemeinsamer Fahrradausflug wird so zu einer wertvollen Familienerinnerung, die weit über den reinen Kalorienverbrauch hinausgeht.

Ihr Aktionsplan: Gesundheit als Familien-Gewohnheit etablieren

  1. Umgebungsgestaltung: Platzieren Sie eine Obstschale prominent auf dem Tisch und verbannen Sie Süßigkeiten aus dem direkten Sichtfeld.
  2. Zentrale Handy-Ladestation: Richten Sie eine Ladestation für alle Geräte außerhalb der Schlafzimmer ein, um bildschirmfreie Nächte zu fördern.
  3. Familien-Challenge starten: Führen Sie ein Punktesystem für das Probieren neuer Gemüsesorten, gemeinsame Spaziergänge oder bildschirmfreie Abende ein.
  4. „Superkräfte“ definieren: Verknüpfen Sie gesunde Lebensmittel mit positiven, kindgerechten Eigenschaften wie „Superhelden-Sehkraft“ durch Karotten.
  5. Gemeinsame Kochrituale: Planen Sie feste Zeiten, zu denen die Kinder bei der Zubereitung der Mahlzeiten helfen, um die Akzeptanz zu erhöhen.

Der Master-Hebel Ihrer Gesundheit: Warum Ihre Insulinsensitivität über fast alle chronischen Krankheiten entscheidet

Wenn es einen zentralen Schalter im Cockpit Ihrer Gesundheit gibt, dann ist es die Insulinsensitivität. Dieser Begriff beschreibt, wie gut Ihre Körperzellen auf das Hormon Insulin ansprechen. Eine hohe Sensitivität bedeutet, dass nur wenig Insulin nötig ist, um Zucker aus dem Blut in die Zellen zu schleusen. Eine niedrige Sensitivität, auch Insulinresistenz genannt, ist der Anfang vom Ende der metabolischen Gesundheit. Der Körper muss immer mehr Insulin produzieren, um den Blutzucker zu kontrollieren. Dieser Zustand ist die direkte Vorstufe zu Diabetes Typ 2 und ein entscheidender Risikofaktor für Herzerkrankungen, Fettleber und sogar Alzheimer, das von manchen Forschern bereits als „Diabetes Typ 3“ bezeichnet wird.

Die gute Nachricht: Im Gegensatz zu Ihrer genetischen Veranlagung haben Sie die volle Kontrolle über Ihre Insulinsensitivität. Jeder der vier Lebensstil-Faktoren spielt hier eine direkte Rolle. Eine zucker- und kohlenhydratarme Ernährung verhindert Blutzuckerspitzen. Kraft- und Ausdauertraining macht die Muskeln zu wahren „Zuckerschwämmen“, die Glukose auch ohne viel Insulin aufnehmen. Ausreichend Schlaf reguliert die Hormone, die den Appetit und den Blutzucker steuern. Stressmanagement senkt das Cortisol, einen Gegenspieler des Insulins. Die Steuerung der Insulinsensitivität ist der Punkt, an dem alle Fäden zusammenlaufen.

Fallbeispiel: Der 10-Minuten-Spaziergang nach dem Essen

Wissenschaftliche Studien zeigen einen simplen, aber extrem wirkungsvollen „Hack“ zur Verbesserung der Insulinsensitivität: Ein kurzer, 10-minütiger Spaziergang direkt nach einer Mahlzeit kann die Blutzuckerspitze um bis zu 30% reduzieren. Warum? Weil die beanspruchte Muskulatur den Zucker direkt aus dem Blut aufnimmt, ohne dass die Bauchspeicheldrüse große Mengen Insulin ausschütten muss. Dieser kleine Spaziergang ist ein perfektes Beispiel, wie eine kleine Gewohnheit eine große biochemische Wirkung entfalten kann und die Zellen sensitiv für Insulin hält.

Ihre täglichen Entscheidungen führen ein direktes biochemisches Gespräch mit Ihren Zellen. Indem Sie Ihre Insulinsensitivität durch bewusste Lebensstilentscheidungen hochhalten, schalten Sie den Haupttreiber vieler chronischer Krankheiten ab. Dies ist der wahre Kern der Prävention.

Das gefährliche Bauchfett: Der Unterschied zwischen sichtbarem und unsichtbarem Fett

Wenn wir über Übergewicht sprechen, denken die meisten an das sichtbare Fett unter der Haut (subkutanes Fett). Aus medizinischer Sicht ist jedoch ein anderer Fetttyp weitaus gefährlicher: das viszerale Fett. Dieses „unsichtbare“ Fett lagert sich tief in der Bauchhöhle an und umhüllt lebenswichtige Organe wie Leber, Bauchspeicheldrüse und Darm. Man kann von außen schlank wirken und trotzdem einen hohen Anteil an viszeralem Fett haben – ein Zustand, der als „TOFI“ (Thin Outside, Fat Inside) bekannt ist.

Das Problem mit viszeralem Fett ist, dass es metabolisch hochaktiv ist. Es funktioniert wie eine eigene Drüse, die kontinuierlich entzündungsfördernde Botenstoffe (Zytokine) und Hormone ausschüttet. Diese Substanzen befeuern direkt die stillen Entzündungen im Körper, verschlechtern die Insulinsensitivität und erhöhen den Blutdruck. Viszerales Fett ist kein passiver Energiespeicher, sondern ein aktiver Brandstifter, der das Risiko für das metabolische Syndrom, Herzinfarkt und Schlaganfall dramatisch erhöht. Wie ein Report der Goethe-Universität Frankfurt aufzeigt, sind mehr als 50% der älteren deutschen Bevölkerung chronisch krank – und viszerales Fett spielt dabei eine zentrale Rolle.

Unterschied zwischen subkutanem und viszeralem Fett und deren Auswirkungen auf die Gesundheit

Die gute Nachricht ist, dass viszerales Fett sehr gut auf Lebensstiländerungen reagiert – oft sogar besser als das hartnäckige Unterhautfett. Eine Kombination aus einer kohlenhydratreduzierten Ernährung, regelmäßigem Training (insbesondere hochintensives Intervalltraining) und effektivem Stressmanagement kann den Abbau von viszeralem Fett gezielt fördern. Der Taillenumfang ist hier ein besserer Indikator als die Waage. Eine Reduzierung des Bauchumfangs ist ein klares Zeichen dafür, dass Sie das gefährliche innere Fett reduzieren und Ihr Krankheitsrisiko aktiv senken.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ihre Gene sind kein unabänderliches Schicksal; Ihr Lebensstil ist der mächtigste Hebel zur Krankheitsprävention.
  • Stille Entzündungen und Insulinresistenz sind die zentralen, steuerbaren Ursachen hinter den meisten chronischen Erkrankungen.
  • Ernährung, Bewegung, Schlaf und Stressmanagement wirken als ein synergetisches System – die Stärke liegt in ihrer Kombination, nicht in der Perfektion eines einzelnen Bereichs.

Sie sind nicht Ihre Gene: Wie Sie durch Ihren Lebensstil die „schlechten“ Gene abschalten können

Wir kommen nun zur vielleicht hoffnungsvollsten Botschaft der modernen Präventivmedizin: Sie sind nicht Ihre Gene. Die Vorstellung, dass unsere DNA ein festgeschriebenes Drehbuch für unser Leben ist, ist veraltet. Das aufstrebende Feld der Epigenetik zeigt uns, dass unsere Gene eher wie eine riesige Bibliothek voller Baupläne sind. Welche dieser Pläne tatsächlich gelesen und umgesetzt werden, wird maßgeblich durch unseren Lebensstil bestimmt. Ihre täglichen Gewohnheiten wirken wie Regisseure, die entscheiden, welche Gene „angeschaltet“ und welche „stummgeschaltet“ werden.

Jede Mahlzeit, jede Trainingseinheit, jede Stunde Schlaf und jeder Gedanke sendet biochemische Signale an Ihre Zellen. Diese Signale heften sich an die DNA an und können, ohne den genetischen Code selbst zu verändern, dessen Aktivität regulieren. So kann zum Beispiel Sulforaphan aus Brokkoli Gene aktivieren, die für die Entgiftung zuständig sind, während chronischer Stress über das Hormon Cortisol entzündungsfördernde Gene anschaltet. Sie führen durch Ihren Lebensstil ein ununterbrochenes Gespräch mit Ihrem Erbgut.

Fallbeispiel: Nutrigenomik in der Praxis

Die Nutrigenomik erforscht genau diese Verbindung. Forschungen zeigen, dass spezifische Nahrungsmoleküle als epigenetische Signale wirken. Polyphenole, die in Beeren und grünem Tee reichlich vorhanden sind, können nachweislich die Aktivität von Genen herunterregulieren, die an Entzündungsprozessen beteiligt sind. Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl beeinflussen Gene, die den Fettstoffwechsel steuern. Dies beweist: Nahrung ist nicht nur Energie, sondern Information, die die Funktion unserer Gene aktiv moduliert.

Diese Erkenntnis ist revolutionär. Selbst wenn Sie eine genetische Veranlagung für eine bestimmte Krankheit in sich tragen, bedeutet das nicht, dass diese Krankheit ausbrechen muss. Durch ein präventives Lebensstil-System – eine entzündungshemmende Ernährung, regelmäßige Bewegung, erholsamen Schlaf und kluges Stressmanagement – können Sie ein biochemisches Umfeld schaffen, das die „guten“ Gene fördert und die „schlechten“ in Schach hält. Eine großangelegte Studie der Harvard T.H. Chan School of Public Health hat eindrucksvoll belegt, dass ein gesunder Lebensstil das Risiko, an Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben, halbieren kann – selbst bei erhöhtem genetischem Risiko.

Die Macht, Ihr genetisches Erbe positiv zu beeinflussen, liegt in Ihren Händen. Der Schlüssel ist, die Sprache zu verstehen, die Ihr Körper spricht, und zu lernen, wie Sie durch Ihren Lebensstil die richtigen Antworten geben.

Die Kontrolle über Ihre Gesundheit zurückzugewinnen, beginnt mit dem Verständnis, dass Ihr Lebensstil das mächtigste Medikament ist, das Ihnen zur Verfügung steht. Beginnen Sie noch heute damit, diese vier Säulen als ein integriertes System zu betrachten und kleine, aber konsequente Schritte in die richtige Richtung zu unternehmen.

Geschrieben von Lukas Brandt, Lukas Brandt ist Ernährungswissenschaftler und Heilpraktiker mit 10 Jahren Praxiserfahrung. Sein Schwerpunkt ist die integrative Medizin, die moderne Wissenschaft mit bewährten naturheilkundlichen Ansätzen verbindet.